An die Dwina

Category: Poetry
Ach, Dwina, strömte deiner Wellen Band
zur Quelle hin, zurück zum Heimatland —
in deine Wasser hüllte ich mich ein,
mit deinen Wellen trügest du mich heim.

Im Kampfgetümmel, Arme stark und frei,
schwamm ich stromauf mit kraftvoll weitem Schlag.
Jetzt leb ich elend in der Sklaverei
und weiß nicht, wie die Schande ich ertrag.

Die Strömung wenden? - Wenn es möglich wär!
Könnte es sein - mein ganzes Leben kehrt’
ich um! In Freiheit lebt’ ich wieder,
gäb meinem Vaterlande meine Lieder.

Bin ich daheim, dann ist mein Herz bereit,
auch allerschwerste Last auf sich zu nehmen.
Doch nur in Freiheit, nur von Schmach befreit,
gelingt es meinem Lied, sich zu verströmen.

Ich stürbe gern, wär ich zurückgekehrt,
wär ein Stück Heimat nur, das mir gehört.
Ich wüßte: dauernder als Kreuz und Stein
würde mein Lied dem Grab ein Denkmal sein.

Kein Menschenherz erträgt die Sklaverei,
der Kopf zermartert sich in Kerkerzellen.
Ach, Dwina, nimm mich auf und mach mich frei
in der Umarmung deiner schnellen Wellen!

Im Wiegen deiner Fluten fänd ich Ruh.
Die Wasser trügen mich der Heimat zu.
Es wär mein Leib zum Volk zurückgekehrt,
hätt auch die Seele sich im Schmerz verzehrt.

Ach, Dwina, strömte deiner Wellen Band
zur Quelle hin, zurück zum Heimatland,
in deine Wasser hüllte ich mich ein,
und Leib und Lied trügen sie heim.
October 1943