Die Eiche

Category: Poetry
Dicht am Wegrand steht die Eiche,
wo es gut sich rasten läßt.
Leise wogt die grüne Wiese
unterm mächtigen Geäst.

Weicher Wind singt in den Zweigen,
Laubwerk raunt ein dunkles Lied
von den Jahren, die vergehen,
von dem Sommer, der verglüht.

Jemand hat vor tausend Jahren
hier gepflanzt: Zwei Tropfen Schweiß -
und die Eiche wuchs am Wegrand,
wurde mächtig. - Niemand weiß,

wer das Bäumchen einst gepflanzt hat:
Bauer, Gärtner, Wandersmann?
Einer, der das Grüne lichte,
der die Arbeit gern getan?

Wer’s auch war - es hat die Erde
die zwei Tropfen Schweiß bewahrt;
und die alte, grüne Eiche
dankt es ihm auf ihre Art.

Allen, die vorübergehen,
durch den Regen, durch den Staub,
singt sie von den Jugendzeiten
zur Musik von Zweig und Laub;

schützt uns vor den Regengüssen,
deckt uns gegen jeden Sturm.
Undurchdringlich ist die Krone,
und der Stamm steht wie ein Turm.

Schnitter ruhn in ihrem Schatten,
wenn die Sonne sengend brennt;
in dem Schatten glühn Verliebte,
strahlt der Mond vom Firmament.

Durch die weiße Winterwüste
weist sie uns den Weg nach Haus.
Sind wir sommers müd vom Wandern,
ruhn wir bei der Eiche aus.

Landsmann, lange schon gestorben,
tief verneig ich mich vor dir,
vor dem Denkmal deiner Jugend,
vor der alten Eiche hier.

Wer dies Leben lebt, muß sorgen,
daß er tiefe Spuren prägt,
daß durch ihn, wie eine Eiche,
etwas tausend Jahre lebt.
December 10, 1943